Weit leuchtet im Juni der Klatschmohn über die Felder, entzückt das Auge und weist uns auf einen gesunden Boden hin. Und er erinnert uns an den Schlafmohn, die sagenumwobene Kultpflanze mit berauschender Wirkung, die bei uns verboten ist
Schlafmohn, „Papaver somniferum“ zählt zu den ältesten und populärsten Rausch- und Heilpflanzen der Menschheit. Selbst am Bodensee, in Pfahlbausiedlungen der Jungsteinzeit, fanden sich Mohnkapseln. Ob der Mohn wegen seiner essbaren Samen oder wegen seines narkotisierenden Saftes geschätzt wurde, ist unklar. Ausgrabungen auf Zypern brachten Tonkrüge aus der Bronzezeit mit opiumhaltigen Substanzen zutage, die dort im großen Stil hergestellt und exportiert wurden. Mohnkapseln oder Blüten auf antiken Darstellungen symbolisieren neben Fruchtbarkeit und Liebe auch Schlaf, Rausch und den Tod. So besingt es Vergil in seinen Metamorphosen: „Jetzt erscheinet die Nacht, mit Mohn bekrönet die sanfte Stirn; es folget ihr nach schwärzlicher Träume Gebild.“
Mohn bei Husten, Schmerzen, Schlaflosigkeit
Und wieder ist es Dioskurides, der in seinem Standardwerk „Materia Medica“ über pflanzliche Arzneimittel genau beschreibt, wie Opium aus dem getrockneten Saft der angeritzten Mohnkapseln gewonnen wird und wie der Schlafmohn bei Schlaflosigkeit, Husten, Durchfall und Schmerzen hilft. Dabei warnt er vor der tödlichen Wirkung bei Überdosierung. Seine Anweisungen waren bis ins 19. Jh. gültig. Opium blieb in Verbindung mit anderen toxischen Beigaben wie Bilsenkraut und Alraune bis zur Entdeckung des Morphin das einzig wirksame, aber schwer zu dosierende Schmerz- und Betäubungsmittel. Eine Anlehnung an die antiken medizinischen Ratschläge findet sich noch in dem Kräuterbuch von Dr. H. Marzell aus dem Jahr 1923: „Aus den noch grünen Mohnkapseln stellt man Abkochungen zu schmerzstillenden Umschlägen auf Unterleib und Kopf her. (…) Es besteht noch vielfach die gefährliche Unsitte, den kleinen Kindern den Absud unrei- fer Mohnkapseln als sogenannten Schlaftee zu verabreichen.“
In der heutigen Schulmedizin werden die Schlafmohn-Alkaloide Morphin, Kodein, Noscapin, Narcein und Papaverin vor allem für Schmerzpatienten und bei starkem Reizhusten eingesetzt. Homöopathisch verordnet hilft Opium bei seelischen Traumata und akuten Schockzuständen. Der in Wiesen und Feldern wild wachsende Klatschmohn ist von der Schulmedizin nicht als Heilmittel anerkannt. Er ist leicht giftig, könnte aber getrocknet sparsam, weil beruhigend, in Hustentees verwendet werden. Die schönen roten Blätter verlieren beim Trocknen ihre Farbe.
Ritual und Rausch
Dionysos, der Gott des Rausches, trug einen Kranz aus Mohnkapseln auf dem Haupt und möglicherweise verhalf Opium zu manch mystischem Orakelspruch. Im Rom des 3. Jh. wurden Tonnen von Opium als Rauschmittel beschlagnahmt, Nero und Marc Aurel waren süchtig nach Theriak, einem Gebräu aus Opium und Schlangengift, und Kleopatra berauschte sich an einem Weingemisch mit Opium. Mohnextrakt in Arabien und Asien wurde in Kombination mit Haschisch und anderen Substanzen als Aphrodisiakum hoch geschätzt, wie etwa in Form der orientalischen „Fröhlichkeitskugeln“, die ihren Anwendern die Tore zur „Oase der Seligen“ öffneten. In Europa war der als Laudanum bekannte bewusstseinserweiternde und fantasieanregende Opium-Cocktail vor allem unter Künstlern und Literaten weitverbreitet. Erst das Opiumgesetz verbot 1929 seine Einnahme. Heute hat der Mohnanbau in Afghanistan und im goldenen Dreieck Südostasiens Konjunktur bei der illegalen Gewinnung von Heroin.
Gesund und köstlich in der Küche
Gefahrlos und gesund wegen des hohen Gehalts an Calcium und Vitaminen ist die Verwendung von Schlafmohn als Lebensmittel. Um das feine Aroma zu entfalten, werden die Samen am besten erst vor dem Essen gemahlen, zerstampft oder gequetscht. Mohnklöße und Mohnkrapfen gibt es noch heute traditionell zu Feiertagen und Hochzeiten, kaltgepresstes Mohnöl eignet sich nicht nur für die Küche, sondern auch als Basis für feine Naturkosmetik. Es ist reich an Linolsäure, die als einer der wirkungsvollsten Anti-Aging-Inhaltsstoffe sehr viel Feuchtigkeit spendet und sogar von sensibler und trockener Haut gut vertragen wird.
Das Pflanzen von Schlafmohn ist in Deutschland für die private Nutzung nicht erlaubt. Eine Ausnahme gilt zum Beispiel für das hessische Werratal. Jedes Jahr im Juni kann man die blühenden Felder des genehmigten Anbaus bestaunen und auf eigens angelegten Rundwegen erkunden. Oder man fährt gleich ins Waldviertel nach Österreich, das für den Anbau von Graumohn bekannt ist und mit seiner weithin rosa leuchtenden Blütenpracht einlädt.
Info: Mohnblüte im Werratal Mohnblüte im Waldviertel
Zauber der Blüten
Jede Mohnblüte ist ein Wunder. Sie faltet sich, knittrig wie ein aus dem Kokon schlüpfender Schmetterling aus ihrer haarigen Knospe auf, wirft die schützenden, grünen Blätterhüllen ab und spielt, zu voller Blüte entfaltet, mit dem Sonnenlicht, das durch ihre hauchdünnen, gemaserten Blütenblätter hindurchleuchtet. So bezaubert sie uns für kurze Zeit in allen Farben vom Blassrosa des Schlafmohns und dem Knallrot des Ackermohns bis zu besonderen Sorten wie dem strahlend blauen, riesigen Himalaya-Mohn, den wir in manchen botanischen Gärten bewundern können.
Zum Selbermachen: Rezept Mohnsamen-Peeling
Zutaten
1–2 TL Honig
1 EL Quark
2 EL Mohnsamen
1 EL Mohnöl
Zubereitung
Alles vermengen und für Gesicht und Körper verwenden. Mohnsamen sind nicht scharfkantig und daher auch für empfindliche Haut geeignet.