Wir warten schon voller Vorfreude auf die Kirschenzeit, denn bei süßen Kirschen kann kaum jemand widerstehen. Sie zählen zu den Highlights sommerlicher Gaumenfreuden
Die Vogelkirsche (Prunus avium) gab es bereits in der Jungsteinzeit in Asien und in den gemäßigten Klimazonen Europas. Sie gehört zu den Pflaumengewächsen und zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Von der Wilden Vogelkirsche (Prunus avium subsp. avium) stammen viele Kultursorten ab, die sich in Aroma, Konsistenz, Farbe und Erntezeit voneinander unterscheiden, beispielsweise auch die Süß- und Sauerkirschen. Bei den Süßkirschen unterscheidet man zwischen der Knorpelkirsche (Prunus avium subsp. duracina) und der Herzkirsche (Prunus avium subsp. juliana). Die Süßkirschen zeichnen sich vor allem durch größere Blätter und größere, süßere, dunkelrote bis schwarze Früchte aus. Die Knorpelkirschen haben ein festes Fruchtfleisch, sind besonders knackig und lassen sich gut transportieren. Herzkirschen sind etwas weicher.
Zwischen Süß- und Sauerkirschen unterscheidet man erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Bei den Sauerkirschen gibt es Weichseln und Amarellen. Weichseln sind dunkel, weichfleischig und ihr Saft ist farbintensiv. Amarellen dagegen sind gelb oder bunt. Eine bekannte Sauerkirschsorte sind die Schattenmorellen. Sauerkirschen schmecken fein säuerlich, haben einen stärkeren Anteil an Fruchtsäureund eignen sich ideal zum Backen, für Marmelade oder Kompott. Sie reifen später als Süßkirschen und gedeihen auch bei kälterem Klima.
Orakel mit Kirschen
Kirschen gelten sowohl als Symbol für Fruchtbarkeit und Verführung als auch für Reinheit und Unschuld. In China sind blühende Kirschen ein Sinnbild für die Schönheit der Frauen, in Japan erinnern sie an die Vergänglichkeit des Lebens und den hohen Stellenwert der Freundschaft. Dort feiert man seit etwa tausend Jahren mit dem Kirschblütenfest den Frühlingsbeginn.
Kischbäume galten im Volksglauben als Bäume der Feen und Elfen, die bei Vollmond unter den blühenden Bäumen tanzten. Auch Orakel und Vorahnungen brachte man mit blühenden Kirschzweigen in Verbindung. So hoffte man auf ein reiches Erntejahr, wenn alle Blüten sich öffneten. Junge Liebende banden einen Zettel mit dem Namen des oder der Liebsten an einen Kirschzweig und sofern das Zweiglein erblühte, versprach der Herzensbund sich zu erfüllen.
Die Kirsche symbolisiert immer auch irdische Liebe und Koketterie. In den Worten der Dichterin Else Lasker-Schüler: „…namentlich der Herzkirsche spielt die Liebe das Blut in die Wangen…“. Und in der Tat wurde und wird die Kirsche, die „lippen-rote“, „saftig-süße“ und „prall-gefüllte“ in vielerlei Weise mit der Liebe verknüpft.
Wertvolle Nährstoffe
Kirschen schmecken fein und aromatisch, sie sind kalorienarm und gesund: Zu 85 Prozent bestehen sie aus Wasser und haben nur 55 Kilokalorien pro 100 Gramm. In den Früchten stecken etwa die Vitamine A, B 1, 2, 6 und C (ein halber Liter Kirschsaft deckt den täglichen Vitamin-C-Bedarf eines Menschen) und viele Mineralien wie Kalium, Kalzium, Magnesium, Mangan, Phosphor und Eisen, die u.a. den Wasserhaushalt regulieren, Muskeln stärken sowie den Aufbau von Knochen und Zähnen fördern. Auch dienen sie als Lieferant für Folsäure. Dieses Vitamin ist besonders wichtig für Schwangere, wir brauchen es für die Zellteilung und die Blutbildung. Das Immunsystem und Abwehrkräfte stärkende Spurenelement Zink steckt ebenfalls in den roten Power-Paketen.
Kirschen in der Küche
Als Nahrungsmittel erfreute sich die Kirsche stets großer Beliebtheit.
Kirschen schmecken am besten frisch geerntet, ein paar Tage kann man sie im Kühlschrank aufbewahren. Kirschen nicht entstielen und erst kurz vor dem Verzehr waschen. Die Früchte schwitzen leicht und schimmeln dann. Kirschen eignen sich zum Einfrieren, sie können mit Kern oder entsteint eingefroren werden. Als Marmelade oder Kompott lassen sich Kirschen viele Monate lagern.
Vor der Verarbeitung in der Küche entkernen Sie die Früchte am besten mit einem speziellen Entsteiner. Hält man sie dabei in eine Schüssel mit Wasser, spritzt der Saft nicht. Als fruchtige Soße zu Fleisch- und Fischgerichten oder Süßspeisen verleihen sie den Gerichten eine raffinierte Note. Ihr intensives Aroma kommt auch in Kuchen oder als Obsttorte zur Entfaltung, wie etwa bei der Schwarzwälderkirschtorte.
Kirschen in der Naturheilkunde
Im ersten Jahrhundert n. Chr bezeichnete Dioskurides die Kirschen in seiner „Arzneimittellehre“ als „gut für den Bauch“. Sie fördern die Verdauung und wirken leicht abführend und harntreibend. Damit helfen sie, Harnsäure auszuscheiden, beugen Gicht vor und lindern eine bestehende Gichterkrankung. Auch sollen sie helfen, den Blutzucker zu kontrollieren. Insbesondere die Sauerkirsche soll eine gute Wirkung bei der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.
Hildegard von Bingen beschrieb den Kirschbaum als „ mehr warm als kalt, und (…) ganz ähnlich dem Scherz, der Fröhlichkeit zeigt, aber auch schädlich sein kann…“. Dies verweist wohl darauf, dass übermäßiger Genuss zu Durchfall führt.
In seinem „New Kreüterbuch“ von1543 lesen wir bei Leonhart Fuchs über die Kirsche: „Die Kirschen haben nit einerley natur unn complexion. Die süssen so sie noch frisch seind / wermen ein wenig und feüchten. Die sauren und herben külen und trücknen. … Die süssen und zeitigen Kirschen machen einen linden stulgang / seind aber dem feüchten magen nit nützlich noch bequemlich. Die herben aber seind dem feüchten magen gantz bequem. In der traditionellen chinesischen Medizin etwa gelten Kirschen als „warm und süß“. Sie haben Einfluss auf
den Herz-, Magen- und Milzmeridian, stärken den Kreislauf und wirken gegen „kalte“ Störungen wie rheumatische Beschwerden oder Arthritis.
Tee aus Kirschblättern
Für den Tee pflücken Sie eine Handvoll Kirschblätter, waschen sie und schneiden sie klein. Die Blätter mit einer Tasse heißem Wasser überbrühen, alles zehn Minuten ziehen lassen. Dann seihen Sie die Flüssigkeit ab. Am besten drei Tassen täglich davon trinken. Tee aus Kirschblättern entwässert, hilft bei Entzündungen der Harnwege und wirkt schleimlösend als Mittel gegen Husten. Ein Aufguss getrockneter Kirschstängel fand wegen seiner schleimlösenden Wirkung Anwendung bei langwierigem Husten von Kindern.
Tipp: Die Regel „Zu Kirschen kein Wasser trinken!“ gilt so nicht mehr, da sie aus Zeiten stammt, in denen Wasser oft mit Hefepilzen verunreinigt war. Diese ließen die Kirschen im Magen gären und führten zu Blähungen.
Mehr über die Geschichte und Heilwirkung von Kirschen finden Sie in der NaturApotheke 04/19.