Da wir nicht wissen, was uns im Herbst erwartet, sollten wir uns in diesen Sommerwochen unbedingt etwas Erholung gönnen und innerlich stärken.
Nach der langen Zeit der Zurückhaltung aufgrund der Pandemie wurde es plötzlich Sommer und vieles ist nun wieder erlaubt. Einerseits lässt einen das aufatmen, endlich! Und vielleicht haben wir früher selbstverständlich erscheinende Unternehmungen wie ein Treffen mit einer Freundin im Café, einen Einkaufsbummel oder einen Ausflug selten so bewusst genossen wie in diesem Sommer.
Andererseits verunsichern viele widersprüchliche Meldungen auch. Um hier nur ein Beispiel zu nennen: Während es Schulabgängern häufig nicht erlaubt war/ist, so etwas Besonderes wie ihre Abschlussfeiern unbeschwert gemeinsam zu erleben, sitzen an manchen Austragungsorten der Fußball-Europameisterschaft gefühlt viel zu viele Menschen auf zu engem Raum in den Stadien, ausgelassen, begeistert, ohne Masken. Da stellt sich zumindest ein gewissen Unbehagen ein. Die Schulabgänger sind phantastisch kreativ und versuchen so, aus der schwierigen Situation das Beste zu machen, etwa durch Fotowände mit Bildern von ALLEN Schulabgängern ihres Jahrganges.
Ob für den Fußballfan oder jeden reiselustigen Urlauber, das Reisen hat zumindest derzeit seinen unbeschwerten Zauber verloren. Schnell kann sich die Lage vielerorts ändern, sodass die Gegebenheiten zu Reisebeginn nicht länger gelten. Garantien gibt es meist nicht, niemand kann einem da wirklich verbindlich weiterhelfen. Was bedeutet in diesem Zusammenhang verantwortlich handeln?
Die Delta-Variante treibt in manchen Ländern bereits ihr Unwesen und wirft ihre Schatten schon voraus. So haben sich Hunderte von Fußballfans bei EM-Spielen damit infiziert und bringen das Virus nun in ihre Länder, wie etwa finnische Untersuchungen nach der Rückkehr von Fußballfans aus Sankt Petersburg zeigten, wo Restaurants, Bars und Clubs lediglich zwischen 2 und 6 Uhr morgens schließen müssen.
Jeder Urlauber steht nun vor der Frage, ob er durch eine geplante Reise sich und/oder andere möglicherweise gefährdet. Das bremst die Urlaubsfreude von Anfang an ein Stück weit aus und wird sicherlich die diesjährigen Urlaubsplanungen vieler Menschen beeinflussen. Soll man also oder soll man lieber nicht? Und wenn, wohin? Eine Freundin sagte dazu letzthin: „Wir fahren dieses Jahr nur so weit in Urlaub, dass wir es an einem Tag wieder nach Hause schaffen können.“
Während die einen sich sehr viele Gedanken über dieses Thema machen, erstaunt die komplette Sorglosigkeit der anderen. Die Sehnsucht, endlich so viel Verpasstes nachzuholen, ist verführerisch und lässt viele (nicht nur) junge Menschen leicht unvorsichtig werden. Einfach nur raus aus der Isolation, Freunde treffen, Spaß haben, Party machen. Nach all den Entbehrungen ist das nur allzu verständlich! Und auf die Mahnungen hat man nun lange genug gehört. Wird schon gut gehen, und außerdem gibt es die Negativtests, die für Sicherheit sorgen sollen.
Hoffentlich geht es gut für uns alle und wir kommen sicher und gesund durch den Sommer! Im Herbst wissen wir mehr. Auch wie stark sich die Delta-Variante hierzulande ausbreitet und was das dann für uns bedeuten wird. Für Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen, für ihre ohnehin schon ausgebremste Entwicklung, für Geimpfte und Genesene, für Menschen, die nicht geimpft sind. Schmerzlich erinnern wir uns an die bisherigen Lockdowns und hoffen, dass sich das so nicht wiederholen wird. Ebenso hoffen wir, das Ausmaß vieler möglicher schlimmer Folgen möglichst gering zu halten.
Dazu zählen natürlich vor allem viele Kranke und Verstorbene, Menschen, die an Post-Covid leiden und solche, die einfach lange brauchen, bis sie sich wieder erholen. Zunehmende häusliche Gewalt, depressive Verstimmungen, wachsende Ängste und emotionale Irritationen vieler Art. Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Neuerdings ist sogar schon vom Cave-Syndrom die Rede, wenn Menschen sehr große Mühe haben, aus ihrer Zurückgezogenheit wieder ins soziale Leben zurückzukehren.
Vielleicht gilt es auch hier, etwas abzuwarten und genau zu beobachten. Die Lockerungen bestehen noch nicht sehr lange, wir brauchen etwas Zeit, uns wieder an die geänderten Regeln zu gewöhnen und aktuell beginnen die Infektionszahlen schon wieder zu steigen. In manchen anderen Ländern sogar rasant. Durchaus verständlich, wenn das die Euphorie neu gewonnener Freiheiten bei manchen Zeitgenossen dämpft. Doch zwischen jemand, der sich am liebsten zu Hause verkriecht, weil soziale Interaktion ihn überfordert, und jemand, der mit gesundem Menschenverstand achtsam und vorsichtig bleibt, liegt ein weites Feld. Hilfe sollte sich allerdings holen, wer sehr gern wieder mehr unternehmen möchte, aber das nicht schafft, weil es zu viele Ängste auslöst. Dies gilt verstärkt für Menschen, die von vornherein ängstlicher als andere sind. Denn dabei könnte es sich unter Umständen um eine Angststörung handeln.
Bestimmte Ängste und Sorgen sind in diesem Zusammenhang jedoch nachvollziehbar. Laut einer Umfrage der American Psychological Association (1) reagiert knapp die Hälfte der US-Bevölkerung nach dem Ende der Pandemie mit Unbehagen, wenn es um soziale Kontakte geht. Interessant ist, dass auch bei den vollständig Geimpften nahezu 50 Prozent so denken.
Bei all den gegebenen Unwägbarkeiten empfiehlt es sich zunächst einmal, Ruhe zu bewahren. Aufgeregtheit gibt es allerorten schon genug. Vielen von uns wurde über lange Zeit sehr viel abverlangt und wir haben uns scheinbar notgedrungen an das Funktionieren gewöhnt. Doch auf längere Sicht schaden wir damit unserer Gesundheit. Deshalb sollten wir unbedingt darauf achten, dass auch etwas Zeit für Erholung, Spaß und Freude bleibt. Freude ist ein guter Gradmesser für die Stimmigkeit und Angemessenheit von Aktivitäten. Das Motto einer Freundin von mir für diesen Sommer lautet: „Ich mache jeden Tag nur die Hälfte von dem, was ich mir vorgenommen habe.“ Das bekommt ihr übrigens ganz gut und es sieht so aus, als ob sie tatsächlich mehr schafft als vorher. Auf alle Fälle verringert es den unbewussten inneren (Erwartungs-)Druck, der durch die Pandemie bei vielen schon deutlich angestiegen ist. Wann haben Sie das letzte Mal einfach nur so aus Spaß etwas getan? Eine kleine Idee für diesen Sommer wäre, jeden Tag 1, 2, 3… Mal etwas zu tun, das Ihnen Freude macht. Es könnte gut sein, dass Sie danach erstaunlicherweise mehr Zeit für anderes haben als vorher …
Wer Lust und Zeit hat, sich über die Sommerwochen intensiver mit dem Thema Resilienz zu beschäftigen, um die eigene innere Stärke zu fördern und so dem Herbst gelassener entgegenzusehen, mehr dazu in der NaturApotheke 04/21, ab Seite 84.
(1) www.apa.org/news/press/releases/stress/2021/sia-pandemic-report.pdf