Frauendreißiger: Die hohe Zeit der Heilkräuter

Ein wunderbarer Kräuterbuschen aus dem ORF-Fernsehgarten
Ein wunderbarer Kräuterbuschen aus dem ORF-Fernsehgarten (Bild: ORF)

Nicht nur in katholischen Regionen beginnt mit Maria Himmelfahrt die hohe Zeit des Kräutersammelns. In den 30 Tagen zwischen dem 15. August und dem 15. September gepflückte Kräuter sollen ganz besonders große Heilkräfte haben. Und wer sich einen Kräuterbuschen bindet, macht sich die Kräutermagie zu eigen

Da das Kräutersammeln von Alters her Aufgabe der Frauen war, heißt die Zeit nach dem 15. August Frauendreissiger. Auf allen Pflanzen, die in dieser Zeit gesammelt werden, soll ein besonderer Segen liegen – egal ob von der Jungfrau Maria gesandt oder von einer anderen gütigen Gottheit. Eine der wenigen Ausnahmen dieser Tradition ist das Johanniskraut, das seine strahlendsten Kräfte am Johannistag besitzt.

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Eine uralte Tradition in christlichem Gewand

Wie so oft hat die katholische Kirche auch mit dem Kräuterbuschen, Würzbüschel oder Kräuterboschen einen uralten Brauch in ihre Tradition überführt. Ursprünglich diente der Brauch einfach dazu, zur besten Erntezeit einen Vorrat heilkräftiger Pflanzen für die kalte Jahreshälfte anzulegen. Entsprechend bestanden die Sträuße aus wilden Kräutern und Samen. Die Kelten widmeten die Kräuterbündel der Göttin Freya und verknüpften den Brauch mit ihren ausgelassenen Sonnwendfeiern.
Als die katholische Kirche mit ihrem Verbot der populären Kräuterbuschen scheiterte, verpasste sie der Tradition einen christlichen Rahmen. Daher werden in katholischen Familien an Maria Himmelfahrt Schutz und Glück bringende Kräuter gepflückt, zum Strauß gebunden und in der Kirche mit Weihwasser gesegnet.
Diese Kräuterbuschen hängen dann oft für den Rest des Jahres im Herrgottswinkel, dem Hausaltar in der guten Stube, neben Kruzifix und bunten Heiligenbildern.

Kräuterweihe an Maria Himmelfahrt
Kräuterweihe an Maria Himmelfahrt

Die heilige Zahl der Heilkräuter

Kräuterbuschen bestehen traditionell aus 7, 9, 12 oder 99 Kräutern. Die 7 gilt als mystische, heilige und göttliche Zahl, in der Addition von 3 (Symbol des Geistigen) und 4 (Symbol des Weltlichen) als Zahl der Vollendung. Die 3 ist seit alters her und bei vielen Völkern heilig, die 9 und die 99 sind als mehrfach verstärkte 3 ein Symbol für die Dreifaltigkeit und die Vollkommenheit. Auch die 12 ist eine magische Zahl und erinnert an die 12 Stämme Israels, die 12 Apostel oder auch die 12 Rauhnächte.

Welche Heilkräuter in einen Kräuterbuschen gehören

Mit der Verbreitung von Klostergärten und ihrem weltlichen Abbild, den Bauerngärten mit ihrer typischen Mischung aus Gemüse, Kräutern und Blumen, fanden auch letztere den Weg in die Kräutersträuße. Vor allem Rose und Kornblume ergänzen die ursprüngliche Mischung aus Heilkräutern als Symbol für die Gottesmutter.

Je nach Region finden sich andere Pflanzen im Kräuterbüschel, darunter Arnika, Baldrian, Beifuß, Eisenkraut, Dost (wilder Oregano), Gundelrebe, Johanniskraut, Kamille, Labkraut, Mädesüß (das übrigens im Bayerischen auch Sonnwendhansel heißt), Rainfarn, Ringelblume, Salbei, Schafgar- be, Spitzwegerich sowie einzelne Getreideähren.

In viele christlich geprägte Kräuterbuschen gehört auch ein Rohrkolben als Symbol für das Leiden und Sterben Christi, den Kelten galten die Kolben übrigens als Wanderstöcke in die Anderswelt.

Die Königskerze: Königin im Kräuterbuschen
Die Königskerze: Königin im Kräuterbuschen

Das Herz des Kräuterbuschen: die Königskerze

Wichtig ist, dass jedes Büschel um die Königskerze, auch Wetterkerze oder Himmelbrand genannt, gebunden wird, sodass die hohe Pflanze alle anderen überragt. Die Königskerze „bildet die Mitte und das Rückgrat des Kräuterbüschels, richtet auch innerlich auf und verhilft zu Ehrlichkeit mit sich selbst, das heißt, sie verbindet mit der inneren Stimme und ist auch Heilpflanze für den Kehlkopf (Tee aus den Blüten). Die Wurzel der Pflanze wurde als Schutzamulett getragen. Die getrockneten Stängel, in Harz oder Wachs getaucht, wurden als Fackel verwendet. Die Königskerze wirkt als Räucherung entspannend.“ (heilendepflanzen.de). Der Ethno-Botaniker Wolf-Dieter Storl empfiehlt einen Kräuterbuschen aus Johanniskraut, Kamille, Quendel, Arnika, Ringelblume, Holunder- und Lindenblüten, Schafgarbe, Ziest, Rotklee und Gundermann.

Wer statt eines Kräuterbuschen mal einen Kranz binden möchte, findet hier eine schöne Anleitung.

Heilkräuter als Schutz

Wer sich eher der christlichen Tradition verbunden fühlt, pflückt die Kräuter an Maria Himmelfahrt und bringt den Strauss zur Kräuterweihe in die Kirche. Hängt der Büschel nicht im Herrgottswinkel, tut er gute Dienste als Blitzschutz unterm Dachfirst. Naht ein besonders heftiges Gewitter, soll ein Stück von Königskerze oder Johanniskraut ins Herdfeuer geworfen zusätzlich Schutz bringen. Am Heiligen Abend soll man ein paar Kräuter – etwa Quendel – aus dem Buschen ins Tierfutter mischen, damit auch die Tiere am Weihnachtssegen teilhaben. Ist Getreide im Buschen, sorgen ein paar Körner davon unter die neue Saat gemischt für eine gute Ernte.
Die Heilkräuter aus dem Buschen können mit Weihrauch verräuchert, als Tee oder unters Kopfkissen gelegt bei schlimmen Krankheiten helfen.

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